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Quo vadis geliebtes Yoga?

Eines der wichtigsten Grundlagenwerke des Yoga, die Sutras des Patanjali, beginnt mit dem folgenden Vers:

 

अथ योगानुशासनम्॥१॥

atha yogānuśāsanam||1|

 

Ganz simpel übersetzt, bedeutet das so viel wie: Jetzt wird Yoga erklärt! Damit markiert dieser Vers den Beginn der Yogaphilosphie und symbolisiert die Basis für das Betreten des Yogawegs, der über die körperliche Praxis hinaus auch immer in geistige und spirituelle Bereiche führen sollte. So weit, so gut!

 

Jetzt könnte man meinen (oder sollte ich besser sagen "hoffen"?), dass zumindest der Großteil der Yogalehrenden schon einmal davon gehört hat und demzufolge auch bemüht ist, diese Essenz des Yoga mit in die eigene Arbeit einfließen zu lassen. Wenn ich mir aber den aktuellen Markt und die hiesigen Angebote genauer anschaue, kann ich manchmal wirklich nur noch mit dem Kopf schütteln...

Als ich selbst vor mehr als fünfzehn Jahren angefangen habe zu unterrichten, war die Yogawelt m. E. noch relativ heile. Sprich, dort wo Yoga drauf stand, war auch Yoga drin. Wahrscheinlich auch daraus resultierend, dass es nur relativ wenige, klassische Yogaschulen gab und die dortigen Yogalehrer sich im Rahmen ihres Unterrichts strikt an die Lehren ihrer jeweiligen Tradition hielten. Natürlich und zum Glück gibt es das in dieser Form auch heute noch! Aber auf der Suche nach "Yoga" wird man ja mittlerweile fast an jeder Ecke fündig: seien es die großen Fitness-Ketten, die ortsansässigen Sportvereine oder auch neu aufpoppende Studios - sie alle wollen irgendwie in dem immer größer werdenden Yoga-Game mitspielen. Dies hat zur Folge, dass die Qualität der Quantität gegenüber immer weiter abnimmt und sich die breite Masse dazu ermutigt fühlt, Yoga nur noch zu konsumieren. Mir persönlich zeigt sich dieser Trend in den immer häufiger auftauchenden Anfragen und Wünschen im Sinne von: "Ich suche gerade einen Yogakurs, aber - ganz wichtig! - bitte ohne Meditationen, Atemübungen, diesen komischen Gesang, etc. etc." Da frage ich mich tatsächlich immer, warum es dann ausgerechnet Yoga sein soll? Wenn es doch scheinbar nur darum geht, den Körper irgendwie zu bewegen, zu dehnen und zu kräftigen, tut es doch auch irgendein x-beliebiger Gymnastikkurs, oder etwa nicht?

Nichts, was sich nicht unter dem Deckmantel Yoga vermarkten lassen würde

Eine weitere Frage, die mich immer wieder umtreibt, ist die, ob in der Yogawelt eigentlich mittlerweile die Nachfrage das Angebot bestimmt oder umgekehrt? Warum? Weil die angebotenen Formate an Absurdität z. T. quasi nicht mehr zu übertreffen sind. Ein Beispiel? Ich hatte kürzlich eine Anfrage für die Anmietung meines Studios, bei der es um einen Workshop "Yoga und Wein" ging. Dabei würden im Rahmen einer Yogastunde verschiedene Weine verköstigt und deren Geschmack ganz bewusst (haha!) wahrgenommen werden. Worum ich mir aber keine Sorgen machen müsse, wäre der Boden. Denn das Ganze würde so organisiert, dass dieser vor z. B. Rotweinflecken oder Glaskringeln geschützt sei... Ernsthaft??? Wenn ich so einen absoluten Blödsinn lese, mache ich mir um etwas ganz anderes Sorgen und frage mich, was sich die Veranstalter, die ich an dieser Stelle bewusst NICHT Kollegen nenne, dabei denken. Gleiches gilt für das bestimmt auch sehr lustige Event "Yoga und Bier". Was soll das? Geht es darum, sich einer möglichst großen Zielgruppe zu präsentieren? Neue Märkte zu erschließen? Möglichst viel Geld zu verdienen?

 

Meine Kundalini Yogalehrerin hat einen ganz wunderbaren Begriff dafür gefunden: Prostitute Frequency. Eine Schwingung, bei der die spirituelle Arbeit nur noch als Geschäft gesehen wird, ein Verkaufen von oberflächlicher Entspannung statt wirklich tiefer zu gehen. Ob dieser Weg dabei bewusst und aus Überzeugung oder aus der Not bzw. der Notwendigkeit heraus, irgendwie Geld zu verdienen gewählt wird, macht für mich persönlich tatsächlich keinen Unterschied.

Patanjali bringt es mit seinen Yoga Sutras auf den Punkt

Auch ich bin ja nach wie vor mit großer Freude Yogaschülerin und liebe es, mich durch eine gut durchdachte Yogastunde führen zu lassen. Und zwar mit allem drum und dran: atmen, bewegen, fließen, Mantras rezitieren, entspannen, meditieren - denn das ist es, was eine ganzheitliche Yoga-Praxis nun einmal ausmacht. Nicht mehr und nicht weniger!

 

Wir brauchen keine Hundewelpen, keine Lamas, keine Ziegen und was weiß ich, was sonst noch alles mit auf den Matten rumturnen soll. (Wobei ich zugeben muss, dass der Name des Formats "Biegen mit Ziegen" mein Marketing-Herz doch kurzzeitig hat ein wenig höher schlagen lassen ;))

 

Auch Dinge wie "Yoga und Heavy Metal" oder mein persönliches Highlight "Yoga und Shopping" (kein Scherz - das gibt es wirklich!) lassen mich relativ ratlos zurück. Denn da kann doch auch von einer oberflächlichen Entspannung keine Rede mehr sein, oder? Und an wen richten sich all' diese Formate eigentlich? An eine Gruppe, die ohne diese Gimmicks den Weg auf die Matte niemals gefunden hätte? Und welches Bild von Yoga wird dort vor allem Yoganeulingen vermittelt? Dass es immernoch irgendwie etwas im Außen braucht, damit sich Gefühle von Ruhe, Harmonie oder Ganzheit einstellen? Etwas, das uns weiterhin - zumindest ein wenig - davon abhält, den Blick nach innen zu richten?

 

An dieser Stelle schließt sich dann auch der Kreis zum zweiten Vers der Patanjali Sutras:

 

योगश्चित्तवृत्तिनिरोधः॥२॥

yogaścittavṛttinirodhaḥ||2||

 

Dieser besagt nämlich, dass Yoga das Zur-Ruhe-Kommen der Gedankenwellen im Geist ist. Und zwar mit Hilfe einer Praxis, die genau so pur wie sie ist, darauf ausgerichtet ist, diesen Zustand der Ruhe zu erlangen und vor allem auch ohne dieses ganze Tamtam drumherum.

 

Wie seht Ihr das? Was bedeutet Yoga für Euch? Und was hat Euch dazu bewegt, mit der Yoga-Praxis zu starten? Ich bin wahnsinnig gespannt auf ein paar Kommentare...

 

 

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